Milchreis mit Schlüsselbein

Lagerbericht Melchsee-Frutt 2024

Fünfzig Anmeldungen, aber der Winter will nicht kommen. Die Angst, das Haus wieder nicht richtig füllen zu können war offenbar unbegründet, das erste Bärlauch-Pesto schon VOR dem Lager liess hingegen quälende Fragen offen. Ob man die Wintersportgeräte besser durch Mountain-Bikes ersetzen sollte?

Die Carfahrt durch eine frühlingshafte Innerschweiz hätte wohl nachdenklich gestimmt, aber gottlob wurden die grossen Carfenster kaum beachtet – die Aussicht fand selbstbeschränkt hauptsächlich auf 6.1 Zoll statt. Von der Gondelbahn aus war als schmales, weisses Band die Talabfahrt sichtbar, erst ab der Hälfte war die Landschaft in hoffnungsvolles Weiss gehüllt. Die Frutt selber sah dann aus wie gewohnt und ob unter den Füssen nun 40cm oder 140cm Schnee sind, merkt man ja nicht.

Manche verfluchten nun den Entschluss den zweiten Fön, das grosse Beauty-Case und auch sonst den halben Kleiderschrank eingepackt zu haben. Insbesondere ein Riesen-Rollkoffer erwies sich bei der Fahrt mit dem „Händschefrässer“ als hinderlich, aber man wäre ja gewarnt gewesen, oder? Die Zimmer wurden schnell in Beschlag genommen, die Mehrfach-Steckdosenleisten und Verlängerungskabel zu spinnennetzartigen Stolperfallen-Alpträumen verknüpft und ein neuntes Bett in die Jurte gestellt, die „grossen Jungs“ hatten sich diese reserviert.

Nach einem herzhaften Mittagessen und ein paar warnenden Instruktionen zum Verhalten auf der Piste ging der Wintersportspass ernsthaft los. Für die 8 Snowboard-Novizen allerdings mit einem Fussmarsch zum Zauberteppich, wo erst mal Kantenrutschen angesagt war. Die Fortschritte liessen erfreulicherweise nicht auf sich warten: Die ersten Bögen folgten, wobei klar wurde, dass links und rechts auf dem Board ganz unterschiedlich funktioniert. Erschöpfung der Aufsteh-Muskeln oder blaue Knie setzten dem Lernen zum Teil Grenzen, aber alle waren sich einig: Wir sind morgen bereit für den Erzegg-4er-Sessel!

Eine gewisse Wehleidigkeit machte sich während des Lagers spürbar breit. „Chan i es Pfläschterli ha?“ war eine zu häufige Frage, als dass sie sich nur mit kleinen Verletzungen erklären liesse. Ein Blick auf die Umrechnungsliste der Lagerwährung zeigte: 10 Pfläschterli gaben einen Verband und darauf folgte das Tape und sogar eine Mumie. Der Wert des „Troschtpfläschterli“ war hingegen noch offen – etwas Spekulation musste schon sein. Am Freitagabend konnten die einen jedenfalls dermassen mit Bargeld um sich werfen, dass sogar dem Auktionator Sturm im Kopf wurde, während er Trump-Masken und Furzkissen versteigerte.

Trotz wenig Schnee waren die Pisten erstaunlich gut, wenn man sie denn gesehen hätte. Dienstag und Mittwoch waren so neblig, dass sogar erfahrene Gruppenleiter sich gerne nach den Pfosten am Pistenrand richteten. Deren Farbe war auch nur noch undeutlich zu erkennen, weshalb Leiter X seine Anfänger überzeugen konnte, eine schwierige Piste zu nehmen.

Sie, isch das nöd die schwarzi Pischte?“ – „Nei, die isch nur dunkelblau, isch ganz eifach…

Wer glaubte, am Abend ausruhen zu können, wurde enttäuscht. Es wurde gewerwölfelt, genagelt, gewürfelt und die Dartscheibe gelöchert. Energie war keine Mangelware, die Abendessen samt grosszügigem Salatbüffet sorgten dafür, und wenn auch das Risotto einmal aus Milchreis zu bestehen schien, gab’s daneben kaum was zu meckern. Als Tribut an die neuen technischen Möglichkeiten, wurde am zweiten Abend ein „Action Bound“ organisiert. Schon die selbstgewählten Gruppennamen hätten Punkte verdient: „Die mit 2 Gingers“ hielten wacker mit den „Schönlings“ und „Lashes“ mit, „Brunos Best“ mussten sich „“4 Wiisi und 1 Schwarze“ geschlagen geben, welche aber von den „Pink, fluffy Unicorns“ überflügelt wurden. Den Sieg eingefahren hatten die „Jurtensöhne“ mit starken Leistungen im Finden, Darstellen, Singen und Sarkasmus.

Wie erhofft zeigte sich am Donnerstag dann die Sonne. Es herrschte Kaiserwetter, sogar der Balmeregg-Lift war in Betrieb (sehr zum Missfallen von Skilift-Skeptikern) und man sah endlich wohin man flog beim Schanzenspringen. Einem Höhenflug folgt dann schlechterdings eine harte Landung, welche zur mechanischen Überforderung eines Schlüsselbeins führte. Die Abfahrt zum Haus erfolgte gleichwohl noch selbständig, von dort aber war dann der Pistentöff dran und das Kantonsspital Sarnen hatte einen Job mehr. Gute Kollegen sorgten ab dann für die Betreuung des „Gschtältliträgers“.So konnte er zum Glück im Lager bleiben und halt einhändig weiterwürfeln.

Die übliche Rennstrecke – die Boardercross-Piste – war aus Schneemangel nicht präpariert und die Tatsache, dass in der Nacht auf Freitag endlich Schnee fiel, änderte daran nichts. Das Rennen fand dennoch im dichten Schneetreiben statt: Die Herausforderung war hauptsächlich, nicht unterwegs im weichen Neuschnee steckenzubleiben. Während sich Anfänger bei diesem Anlass sonst gerne rausnehmen, glänzte diesmal eine mutige Novizin mit echtem Einsatz! (Applaus!)

Es folgte eine letzte Nacht mit wenig Schlaf, welche zusätzlich durch Ideen der Jurtenbewohner verkürzt wurde. Am Morgen dann das übliche Mysterium am Ende des Lagers: Wie die Teilnehmer im knietiefen, allgegenwärtigen Chaos der Schlafräume ihr Zeug wieder finden, ist eigentlich unerklärlich. Die meisten beschlossen nun, dem Sport sei genüge getan, und nahmen für den Rückweg die Gondelbahn. Acht Nimmermüde wagten sich doch an die Talabfahrt, welche im oberen Teil wohl geniessbar war, weiter unten hingegen pickelhart – egal, man ist ja Held(in).

Einer ruhigen Heimfahrt – gewürzt mit epischen Brawl-Stars-Schlachten – folgten freudige Wiedersehens-Szenen. („Mami, ich bi soo müed…“) Dem üblichen Verdächtigen wurden noch die im Car vergessenen Handschuhe nachgereicht. (Vor zwei Jahren war’s der Helm, letztes Jahr der Rückenpanzer…)

Auch einige Leiter hätten nach dieser Woche Augenring-Korrekturen nötig, doch die Erzegg wird wieder reserviert und der Hot-Pot dampft schon.

Bruno Kägi

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