Wintersportlager Melchsee-Frutt 2022

Das Wintersportlager der Sek Zell auf der Melchsee-Frutt hat bereits «Tradition». Umso schlimmer, dass letztes Jahr schon vor der Anmeldung der «Corona-Stecker» gezogen wurde.

Mit geboostertem Gewissen machte ich mich im Herbst 21 an die Lagervorbereitungen. Auf ein treues Kern-Team von lokalen Mitarbeitern und externen Begeisterten konnte ich zählen, doch den Lager-Papi zu ersetzen, ist nicht einfach. Larissa Baer wurde neues «Lager-Mami» mit Schlittel-Ambitionen und konnte eine weitere Kollegin als Skileiterin überzeugen – die Skifahrer waren dieses Jahr wieder in erdrückender Überzahl auf der Teilnehmerliste.

Als Covid-Wintersportlagerschutzkonzeptumsetzungskommissionsvorsitzender stellte ich in Absprache mit Schulleitung und Schulärztin viel Papier zusammen, welches gottlob kurz vor dem Lager um zwei Drittel gekürzt werden konnte: Abgesehen von der Maskenpflicht in Gondeln, konnte man schon fast von einem Déjà-vu-Lager reden. Dass die Schwester eines Teilnehmers gerade positiv getestet worden war, zählte zu den Risiken, die in Kauf genommen wurden.

Etwas eigenartig war die Zahl von Abmeldungen in den letzten drei Wochen vor dem Lager – aus mehr oder auch weniger nachvollziehbaren Gründen. Eine Schülerin, die ihren Anmeldestatus nicht weniger als 4-mal geändert hatte, stach etwas hervor. Ob wir künftig eine «Buchungsgebühr» einführen? Interessanterweise gingen die Abmeldungen komplett von Skifahrern aus – Snowboarder würden sowas ja nie tun…

Die Hinreise zeigte bereits Herausforderungen: Wo man früher die Erstklässler anwies, den älteren zu folgen, hatten wir dieses Jahr gerade 2 Jugendliche dabei, die schon mal auf der Erzegg waren, und die wirkten nicht immer überzeugend auf das Jungvolk. Auch eine Premiere war, dass die Jurte von Knaben besetzt wurde, welche sich übrigens viel mehr Sorgen um die Temperatur machten, als früher die Mädchen.

Am Montagnachmittag ging’s in den vereinbarten Gruppen auf die Piste – Board-Anfänger erwartete ein hartes Schicksal, sie hatten aber bald die ersten Bögen drauf und blaue Knie. Gruppeneinteilungen wurden jeweils nach Können und Wollen angepasst, so dass alle gefördert werden konnten.

Abendprogramme beinhalteten Indoor-Spiele, Aktivitäten im Schnee, eine Lager-Olympiade und einen Filmabend. Ein Holzklotz fürs Nageln legte wacker an Gewicht zu, bis der Hammer das Zeitliche segnete. Eigenartige Sprüche machten dabei die Runde: «Ey, häsch en Zagge ab?!» – «Was meinsch dänn? Ich ha sogar en Sprung i de Schüssle!» – «Aber er det hät sogar en Affebiss!»

Die Rede war von der aktuellen Lagerwährung, die durch gute Leistungen, hilfreiche Aktivitäten, freiwillige Jobs oder auch blankes Einschleimen erlangt werden konnte. Tische abräumen? Ofen betreuen? Meldungen überbringen? – Alles eine Frage der Bezahlung. Nur bei der Zimmerordnung liess sich irgendwie kaum eine Verbesserung erzielen.

Der «Eisbären-Club» wurde Mitte Lager gegründet und nahm stetig Mitglieder auf, die das Geheimnis der Polarforschung selber ergründet hatten und dies mit überheblichem Lächeln kundtaten. Das Würfelspiel zog ganze Gruppen in den Bann und die erwiesene Wahrung des Geheimwissens erstaunte sogar erfahrene Leiter.

Auf der Piste ging es den gewohnten, rasanten Gang. Angst vor der schwarzen Piste? – Keine Sorge,  wir gehen höchstens auf die «dunkelblaue» (hüstel…). Ab Donnerstagnachmittag war «freies Fahren» möglich, allerdings in fixen Gruppen und striktesten Regeln, deren Nichtbefolgung in einem Fall zu einem halbtägigen Einsatz in der Erzegg-Küche führte. Der zweifache Einsatz des Pistendienstes gab beide Male Entwarnung: Die betreffenden Stürze waren zwar durchaus schmerzhaft, hinterliessen aber keine Narben. Der intensive Kontakt eines Schlittel-Leiters mit einer Konifere zeigte da mehr Wirkung, mit sportlichen Aktivitäten war es in diesem Fall für den Rest des Lagers vorbei.

Der Schlussabend startete mit einem ersten Lagerrückblick in Bildern und Kurzfilmen, worauf dann der Roulette-Tisch gestürmt, gewürfelt und die Karten gemischelt wurden. Es war an der Zeit, das ergatterte Geld zu vermehren oder zu verjubeln. Die folgende Auktion mit begehrten Gütern wie Gummischlangen, Kratzhändchen, Unicorn-Stiften oder Trump-Masken offenbarte das wahre Ausmass des angehäuften Reichtums: Die Gebote steigerten sich bis zum mehrfachen «Wahnsinn»!

Am Samstag war Effizienz beim ordnungsgemässen Verlassen des Lagerhauses angesagt. Die grosse Kuhglocke, die am Morgen jeweils auf grausamste Weise die süssen Träume beendete, wurde wieder in der Gaststube montiert, Rückstände verbotener Fressorgien in den Zimmern unauffällig beseitigt und herrenlose T-Shirts, Socken, Handschuhe oder auch noch privatere Kleidungsstücke dem glücklichen Besitzer aufgedrängt.

Wer Lust hatte, durfte eine letzte Abfahrt zur Stöckalp wagen und so beweisen, dass die vergangene kurze Nacht gar kein Problem war. Die Wartezeit im oberen Drittel, während der die Rega einen Schlittler von der Piste holte, gab die Möglichkeit dankbar zu sein, dass von uns alle heil nach Hause kamen.

März 2022
Bruno Kägi